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Schule in Freiheit im Abgeordnetenhaus – Der zweite Auftritt der Volksinitiative

Am Donnerstag, dem 27. Februar fand die Anhörung der Volksinitiative „Schule in Freiheit“ im Berliner Abgeordnetenhaus statt. Es war wieder ein Fest! Etwa 240 interessierte Menschen kamen und belebten das Abgeordnetenhaus mit frischer Aufmerksamkeit. Viele hatten Rosen dabei - wie schon bei unserer ersten Anhörung 2011. Da der Sitzungssaal nur Platz für 60 Besucher bot, wurde die Anhörung mit Bild und Ton in den Festsaal des Abgeordnetenhauses übertragen. Nachdem jeder seinen Platz gefunden hatte, bekamen die fünf Vertrauenspersonen der Volksinitiative das Wort und eröffneten die Debatte mit ihren Eingangsstatements:

Kurt Wilhelmi vom OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE stellte zunächst in aller Kürze die drei Forderungen der Volksinitiative dar: Die pädagogische Freiheit, die gleichberechtigte Finanzierung und die selbstständige Organisation für die Schulen. Er wies darauf hin, dass diese Ideen, deren Umsetzung man jetzt fordere, die gleichen sind wie die, die bereits mit der ersten Volksinitiative ins Abgeordnetenhaus eingebracht worden waren. Da diese noch nicht verwirklicht sind, sei man wieder hier. Zusätzlich habe man diesmal konkrete Umsetzungsvorschläge mitgebracht, die im weiteren Verlauf der Anhörung vorgestellt wurden.

 

Jonathan Schmalwasser, Schüler an der evangelischen Schule Berlin Zentrum, schilderte den Anwesenden, wie leidvoll für ihn die ersten drei Schulen waren, die er besuchte. Erst auf der jetzigen Schule fühle er sich wohl und könne wieder lernen. Dies liege daran, dass diese sich im Aufbau befindliche Schule ein lebendiges und eigenständiges pädagogisches Konzept entwickelt habe, mit dem sich die Lehrer und Mitarbeiter identifizieren und das sie selbst gestalten. Doch jetzt, wo die ersten Schüler auf das Abitur zugingen, komme man an Grenzen. Die von außen vorgegebenen Prüfungen stimmten nicht mit dem pädagogischen Konzept überein. Zur Zeit versuche man, einen Weg zu finden, stimmig mit der Situation umzugehen. Und deshalb engagiere er sich in der Volksinitiative, die vorschlägt, dass die Schulen in Zukunft eigene Schulabschlüsse entwickeln und gestalten können.

 

Monika Schrodt, die bereits Lehrerin an staatlichen und freien Schulen war, beschrieb ihre Motivation, Schule als natürlichen Lebensraum zu gestalten und wie absurd es sei, wenn Schulen in diesem Lebensraum Schulgeld verlangen müssen. Sie forderte, endlich die nach der Anhörung der ersten Volksinitiative begonnenen Berechnungen zu vervollständigen und Schülerkostensätze zu ermitteln, anhand derer ersichtlich sei, wie viel Prozent der Gesamtkosten die Schulen in freier Trägerschaft zur Zeit wirklich bekämen. Zweitens müsse dann die Finanzierung der freien Schulen auf 100 % angehoben werden. Und zum dritten forderte sie die Abschaffung der Wartefrist für Schulgründungen. Das Engagement der Zivilgesellschaft, die dringend benötigte Schulplätze schaffen will, dürfe nicht behindert werden.


André Kaun, Elternvertreter an einer staatlichen Schule und Mitglied im Bezirkselternausschuss, beklagte die rechtliche Unselbständigkeit der staatlichen Schulen in praktischen Dingen. Als Unternehmer sei für ihn vollkommen klar, dass die Schulen für die Bewältigung ihrer Aufgaben die organisatorische Selbständigkeit brauchen. Für deren Umsetzung in einzelnen Bereichen schlug er vor, das Recht auf Schulversuch, das in § 18 Berliner Schulgesetz geregelt ist, zu stärken. Wenn eine staatliche Schule darüber hinaus als Ganzes in die Selbständigkeit gehen wolle, so solle sie dafür die Rechtsfähigkeit bekommen und von einer „nicht rechtsfähigen“ in eine „rechtsfähige“ Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt werden.

 

Johannes Stüttgen, der als Schüler von Joseph Beuys bei diesem den erweiterten Kunstbegriff kennenlernte, holte dann grundsätzlich aus und stellte dar, wie das jetzige Schulsystem versuche, das Bedürfnis der Eltern nach Sicherheit, nach einer sicheren Zukunft der Kinder in Verbindung mit dem Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Chancengleichheit nur äußerlich zu verwirklichen. Diese äußere Sicherheit und Gerechtigkeit führen zum Prinzip der Vergleichbarkeit, die Vergleichbarkeit führe zur Standardisierung, die Standardisierung zur Reglementierung, und die Reglementierung schließlich führe zur Zentralisierung. So entstehe die Gleichmacherei, die einen Verlust von Kreativität bewirke. Stüttgen appellierte, demgegenüber die innere Sicherheit immer mehr ins Auge zu fassen, also die individuelle Verantwortungsfähigkeit des Menschen. Auch die Gerechtigkeit müsse nach innen gerichtet werden mit der Frage: Wie werde ich jedem einzelnen Schüler individuell gerecht? Die erworbene innere Sicherheit führe zur Freiheit, die im Sinne von Selbstbewusstsein und Verantwortlichkeit das wirkliche Kapital der Gesellschaft sei.

 

Dann stellten die Abgeordneten Fragen und gaben eigene Anmerkungen und Einschätzungen. Dabei wurde deutlich, dass parteiübergreifend die Notwendigkeit gesehen wurde, dass sich etwas ändern muss. Dass Probleme vorhanden sind, nach deren Lösungen gesucht werden muss. Man war offen für die Argumente der Volksinitiative. Dadurch unterschied sich diese Anhörung von der ersten 2011. Diesmal war die Aufmerksamkeit der Abgeordneten deutlich größer als beim ersten Mal; es entstand ein gemeinsames Fragen und Denken in Richtung Zukunft. Man konnte sich plötzlich vorstellen, dass man im Laufe der nächsten Jahre in Berlin zusammen etwas Neues auf den Weg bringt, das dann vielleicht auch Vorbild sein kann für ganz Deutschland und Europa.

 

Zum Abschluss appellierte die Volksinitiative an die anwesenden Abgeordneten, jetzt schon erste Schritte zu gehen. In den Vorgesprächen hätten sich besonders zwei Umsetzungsvorschläge als mehrheitsfähig gezeigt: Die Stärkung des Rechts auf Schulversuch für die staatlichen Schulen und die Abschaffung der Wartefrist für die Schulen in freier Trägerschaft.