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Bericht über die Tagung "Wie werden unsere Schulen gut?"

Am 12. und 13. Februar hat der Arbeitskreis „Schule in Freiheit“ des OMNIBUS für Direkte Demokratie eine Veranstaltung organisiert, um seine Ideen öffentlich zu diskutieren und über die Möglichkeiten einer Volksinitiative zu beraten. Eingeladen waren dazu der Lehrer Henning Kullak-Ublick und der Rechtsanwalt Ingo Krampen.

Tagung 'Wie werden unsere Schulen gut?'Der Arbeitskreis „Schule in Freiheit“ des OMNIBUS für Direkte Demokratie trifft sich seit Juni 2009, um Vorschläge für die Umgestaltung des Berliner Schulwesens zu erarbeiten. Diese Vorschläge sollen auf dem Wege einer Volksinitiative in die gesellschaftliche Debatte eingebracht werden.

Der Name „Schule in Freiheit“ ist dabei nicht ganz zufällig gewählt. Schon einmal gab es eine Volksinitiative in Schleswig-Holstein unter diesem Namen. Initiiert wurde sie damals von Henning Kullak-Ublick, einem Lehrer an einer Schule in freier Trägerschaft in Flensburg.

In seinem Vortrag am ersten Abend der Veranstaltung betonte Henning Kullak-Ublick, dass es bei der Schule immer um die Begegnung von Menschen ginge. Begegnungen aber könne man nicht fremd steuern. Kinder und Lehrer müssen erleben können, dass sie selbst die Gestalter eines sozialen Zusammenhangs sind. Die Verantwortung für die Gestaltung des Miteinanders könne man
nicht an eine undurchsichtige Instanz wie die Schulverwaltung abgeben.

Tagung 'Wie werden unsere Schulen gut?' - Henning Kullak-UblickIn Deutschland werde die Schule allerdings traditionell als eine staatliche Veranstaltung begriffen. Es gäbe eine weit verbreitete Vorstellung in den Köpfen der Menschen, dass Schule durch den Staat organisiert werden müsse. Historisch ginge die staatliche Vorherrschaft im schulischen Bildungswesen auf das Allgemeine Preu?ische Landrecht zurück. Darin heißt es: „Die Schule ist eine Veranstaltung des Staates“. Allerdings sei dieser Satz damals durchaus emanzipatorisch gemeint gewesen: Die Schule sollte nicht kirchlich organisiert werden und für alle zugänglich sein.

Im 20. Jahrhundert hätten alle fünf Staatsformen und Regierungssysteme in Deutschland - so verschieden sie auch gewesen seien - eines gemeinsam gehabt: den staatlichen Einfluss auf die Schule. Nie sei ernsthaft hinterfragt worden, ob die Schulen tatsächlich staatlich kontrolliert werden müssen, die obrigkeitsstaatliche Geste sei nie überwunden worden. Dieses Denken sei so tief verankert, dass selbst diejenigen ihm erlägen, die sich für ein anderes Schulsystem einsetzten: Schulreformen würden von oben durchgesetzt, anstatt sie der Zivilbevölkerung als Entwicklungsaufgabe anzuvertrauen.

Dieses obrigkeitsstaatliche Denken zeige sich auch dann, wenn Ideen aus anderen Ländern nach Deutschland importiert werden sollen. Beispielsweise hätte es in den skandinavischen Ländern eine große Bereitschaft gegeben, von den Schulen in freier Trägerschaft zu lernen. Im Gegenzug sei es selbstverständlich gewesen, die Schulen in freier Trägerschaft gleichberechtigt zu finanzieren. Dass in den nordischen Ländern ein anderer Geist wehe, komme beispielhaft im finnischen Schulgesetz zum Ausdruck: Dort heißt es in der Präambel: „Schule muss behaglich sein“. Ließe sich ein solcher Satz in einem deutschen Schulgesetz denken? Stattdessen wurden aus Finnland zwar Ideen übernommen, aber im Sinne des Kontrollbedürfnisses und des Sicherheitsdenkens abgeändert: so wurden z.B. aus den finnischen Mindeststandards in Deutschland nationale Bildungsstandards als zu erreichende Normwerte.

Henning Kullak-Ublick hat mit der Volksinitiative in Schleswig-Holstein einen ersten, einfachen Schritt unternommen, vom bestehenden Schulsystem ausgehend etwas zu verändern. Die Volksinitiative war erfolgreich: 37.000 Menschen haben sie unterschrieben. Und in noch einer weiteren Hinsicht war sie erfolgreich: Sie hat das Klima und die Gesprächskultur zwischen den staatlichen Behörden und den zivilgesellschaftlichen Initiativen nachhaltig verbessert. Dass die Volksinitiative letztlich vom schleswig-holsteinischen Landtag wegen ihrer Auswirkungen auf den Haushalt des Landes für unzulässig erklärt wurde, ist für Berlin ohne Relevanz: laut eines Urteils des Berliner Verfassungsgerichts dürfen Volksentscheide hierzulande sehr wohl finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt haben.

Henning Kullak-Ublick ermutigte die Teilnehmer der Veranstaltung, ebenfalls einen ersten Schritt zu wagen. Er zeigte sich beeindruckt von der Qualität der Argumente, die im Anschluss an seinen Vortrag in einer zweistündigen Diskussion ausgetauscht wurden.

Am zweiten Tag der Veranstaltung war der Rechtsanwalt Ingo Krampen zu Gast. Ingo Krampen ist Mitglied des Kuratoriums des Instituts für Bildungsforschung und Bildungsfreiheit (IfBB) sowie Gründer und Vorstandsmitglied des Europäischen Forums für Freiheit im Bildungswesen (European Forum for Freedom in Education – effe). Er hat damals die Volksinitiative in Schleswig-Holstein juristisch beraten.

Zu Beginn ging Ingo Krampen kurz auf den Freiheitsbegriff ein: Der Staat könne keine Freiheit geben oder verordnen. Er könne sie allenfalls ermöglichen. Freiheit müsse immer beim Individuum auf einen Freiheitswillen und auf Freiheitsfähigkeit treffen. Freiheit sei außerdem eng mit Verantwortung verknüpft, ja „Freiheit ist dasselbe wie Verantwortung“, so Krampen. Es habe also keinen Sinn, Freiheit anzubieten, wenn sie nicht auch gewollt sei und ergriffen werden könne.

Im Folgenden konzentrierten sich die Teilnehmer des Seminars auf die drei vom Arbeitskreis bereits herausgearbeiteten Themenbereiche:

erstens die gleichberechtigte Finanzierung,
zweitens die pädagogische Freiheit sowie
drittens die organisatorische Selbstständigkeit der Schulen.

Zu allen drei Themenbereichen hat der Arbeitskreis beispielhafte Umsetzungsvorschläge erarbeitet, die von Ingo Krampen kommentiert und anschließend von allen Teilnehmern diskutiert wurden. Dabei tauchten in dem gut besuchten Seminar eine Fülle von Gesichtspunkten, eine Reichhaltigkeit
von Gedanken und Argumenten auf, die zeigten, wie produktiv es ist, wenn Menschen aus den verschiedensten Blickwinkeln sich die Frage stellen , wie das Schulwesen gestaltet werden soll. Auch zahlreiche Fragen wurden thematisiert:

Was passiert, wenn profitorientierte Schulen gleichberechtigt finanziert werden?
Soll eine Vollfinanzierung aller Schulen mit einer Pflicht zur Aufnahme aller Schüler verknüpft werden?
Vergrößert oder vermindert sich die soziale Spaltung durch eine gleichberechtigte Finanzierung?
Muss man nicht eine Eigenleistung der Beteiligten verlangen, um den Raum für Eigeninitiative zu öffnen?
Ist die aktuelle Minderheitenposition der Schulen in Freier Trägerschaft nicht auch ein Vorteil?
Würde eine Gleichstellung aller Schulen bei den freien Schulen nicht zu einer
Einschränkung ihrer derzeitigen Gestaltungsspielräume führen?
Unter welchen Voraussetzungen können staatliche Schulen selbstständig werden?
Was passiert mit den verbeamteten Lehrern?

Angeregt durch die Beiträge der Teilnehmer wird der Arbeitskreis in den kommenden Wochen mit diesen Fragen weiterarbeiten. Interessenten sind herzlich eingeladen, am Arbeitskreis teilzunehmen und mitzuwirken!

Der Arbeitskreis trifft sich jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Berliner Büro des OMNIBUS für Direkte Demokratie. Ein außerordentliches Treffen wird am Samstag, den 27. Februar von 10 bis 17 Uhr stattfinden.

OMNIBUS Büro Berlin im Haus der Demokratie,
Greifswalder Str. 4, D-10405 Berlin
Tel. (030) 42 80 43 90, berlin@omnibus.org